Am 80. Jahrestag der „Mühlviertler Menschenjagd“, dem 2. Februar 2025, folgten 250 Personen der Einladung der Gemeinden der Region Untere Feldaist (RUF) zu einer gemeinsamen Gedenkfeier. Im dicht besetzten Saal des Wartberger Veranstaltungszentrums wurde der Menschen gedacht, die von Soldaten und Zivilpersonen auf der Flucht aus dem damaligen Konzentrationslager Mauthausen getötet worden waren. In den Redebeiträgen kamen die Notwendigkeit von Zivilcourage und des Wissens um die Vergangenheit zur Sprache sowie die Freiheit, sich in schwierigen Situationen nach seinem Gewissen entscheiden zu können.
Regisseur Andreas Gruber wies darauf hin, dass es nicht selbstverständlich sei, in einer offenen Gesellschaft und liberalen Demokratie zu leben. „Es ist schon ein erschreckender Zynismus, dass es bei den Hass-Parolen, die in Bierzelten gebrüllt werden, vermeintlich um Sicherheit und Stabilität gehen soll. In Wirklichkeit bewirken sie das Gegenteil und beschädigen gezielt das demokratische System, um es letztendlich zu entsorgen und autoritäre Verhältnisse zu etablieren.“ Am Ende seiner Gedenkrede sagte er angesichts der aktuellen politischen Ereignisse: „Wir müssen jetzt aufstehen, bevor es zu spät ist.“
Schüler:innen der Mittelschule Pregarten stellten mit ihren Collagen, die im Rahmen eines Schulprojekts entstanden waren, die Forderungen: „Nie wieder Krieg“, „Stoppt die Waffenproduktion“, „Schützt die Demokratie“, „Stoppt Ausgrenzung und Verfolgung“, „Schützt unsere Welt“ und „Gleichberechtigung“.
Die Besucher:innen der Veranstaltung erfuhren auch, welchen Beitrag die HTL Perg zu dieser Feier schon im Vorfeld geleistet hatte. Schüler:innen hatten im Rahmen eines Gestaltungs-Wettbewerbs das Plakat zur Gedenkfeier entworfen und diese Webseite programmiert. Auch inhaltlich waren in den vergangenen Monaten die Themen „Nationalsozialismus“ und „Mühlviertler Menschenjagd“ im Unterricht in allen Klassen der HTL behandelt worden.
An der Gedenkfeier, die von Elke Korczynski und Christine Grüll organisiert wurde, nahmen u. a. die Bürgermeister von Hagenberg, Pregarten, Wartberg und Unterweitersdorf teil sowie zahlreiche junge Musiker:innen. Severin Renoldner und Franz Pirklbauer intonierten das „Lied der Lieder“ aus der Mauthausen-Kantate von Mikis Theodorakis.
Der Abschluss der Gedenkfeier mit der Verlesung des Mauthausen Schwurs fand in der Abenddämmerung beim Mahnmal “Mühlviertler Menschenjagd” auf dem Kalvarienberg statt.
Gestaltet im Jahr 2015 von Herbert Friedl.
Weithin sichtbar, hoch aufgerichtet am Hügel des Kalvarienberges Wartberg, das Mahnmal zur Erinnerung an die „Mühlviertler Menschenjagd“. Obwohl schlicht gestaltet, beinhaltet dieser Gedenkort vielfache Symbolkraft.
Tief im Boden verankert eine Reihe von drei Glaspaneelen – Verwurzelung des Menschen im Lebens-Urgrund. Glas als Zeichen für die Zerbrechlichkeit und Verletzlichkeit menschlichen Lebens.
Diese Glastafeln sind mit Holzschnitten bedruckt und zeigen fragmentarisch Teile eines Kreuzes, über das sich Häftlingskleidung zieht, gleich einer Kreuzigungsgruppe – auf diese Weise wurde den Menschen ihre Würde genommen. So geschehen bei der „Mühlviertler Menschenjagd“.
Eingefasst sind diese Tafeln von Granitwürfeln, in Form einer Ellipse. Inmitten der Spannungslinie zweier Brennpunkte werden diese Glastafeln in den Fokus des Betrachters gerückt.
Granitsteine – Symbol für die Arbeit in den Granitsteinbrüchen in Gusen und Mauthausen. Hier wurden Menschen durch Arbeit getötet.
Auf die Mitte des Mahnmals zu führt ein gepflasterter Weg, in dem eine gläserne Tafel eingelassen ist:
„DIE WICHTIGSTE STUNDE IST IMMER DIE
GEGENWART, DER BEDEUTENDSTE MENSCH
IMMER DER, DER DIR GEGENÜBER STEHT,
UND DAS NOTWENDIGSTE WERK IST IMMER
DIE ACHTUNG VOR DEM MENSCHEN.“
Nach Meister Eckhart, 1260 – 1328
500 HÄFTLINGE SIND GEFLOHEN,
11 HABEN ÜBERLEBT.
DEN OPFERN DER MENSCHENJAGD
VOM FEBRUAR 1945 … ZUM GEDÄCHTNIS
Der Text weist einerseits auf das tragische Geschehen hin, andererseits regt er zum Nachdenken über menschliches Handeln an.
Auf Grund der Transparenz der Glastafeln bleiben die Blicke frei auf die Orte und Landschaft dieses grausamen Geschehens – Vergangenes verbindet sich mit Gegenwärtigem, führt den Betrachter in stilles Ge- und Bedenken.
(Brigitte Friedl, Februar 2025)
Im Film "...ich habe ihn ja nicht sehen müssen..." werden anhand von sechs Interviews mit ZeitzeugInnen aus Wartberg ob der Aist die dramatischen Ereignisse im Februar 1945 erzählt, als mehr als 500 sowjetische KZ-Häftlinge aus dem KZ Mauthausen ausbrachen und einige davon auf ihrer Flucht auch bis Wartberg kamen.
Bis auf 11 Überlebende wurden alle anderen im Rahmen der berüchtigten „Mühlviertler Menschenjagd" ermordet.
Der Film erzählt von Angst und Mut, von Grausamkeit und Unmenschlichkeit, aber auch von Mitleid und Mitmenschlichkeit.
ZeitzeugInnen: Gottfried Albert, Gisela Franz, Josef Grubmüller, Franz Kiesenhofer, Josef Prammer und Aloisia Wiesinger
Projekt-Team: Andreas Baumgartner & Michaela Hoyos
Projektkoordination: Josef Bauer
Sprecherin im Film: Konstanze Breitebner
Ein Projekt des Sozialwissenschaftlichen Forschungsbüros
Altersempfehlung: Ab 12 Jahren mit Vor- und Nachbereitung
In der Publikation beschreibt der Autor Wulf Struck die Situation in der Bevölkerung und die Ereignisse der sogenannten „Mühlviertler Hasenjagd“ in der Gemeinde Wartberg; dies in kompakter Weise und mit vielen Zeitzeugenberichten.